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Wette auf
die Zukunft

Risk Averse, Risk Lover

Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[Stahl, TFT-Displays, Server, Platine, 90 x 90 x 180 cm]
Risk Averse, Risk Lover, 2021
[steel, TFT-displays, server, circuit board, 35 x 35 x 70 inches]

Time Machine

Time Machine Säule, 2013 (fortlaufend)
[Thermodrucker, Knopf, Papier, MDF, Plexiglas, Aluminium, 210×210×250 cm]
Time Machine Säule (“Time Machine Column”), 2013 (ongoing)
Thermal printer, button, paper, MDF, Plexiglas, aluminum, 82×82× 98inches]
Time Machine Säule, 2013 (fortlaufend)
[Thermodrucker, Knopf, Papier, MDF, Plexiglas, Aluminium, 210×210×250 cm]
Time Machine Säule (“Time Machine Column”), 2013 (ongoing)
Thermal printer, button, paper, MDF, Plexiglas, aluminum, 82×82× 98inches]
Time Machine Säule, 2013 (fortlaufend)
[Thermodrucker, Knopf, Papier, MDF, Plexiglas, Aluminium, 210×210×250 cm]
Time Machine Säule (“Time Machine Column”), 2013 (ongoing)
Thermal printer, button, paper, MDF, Plexiglas, aluminum, 82×82× 98inches]
Time Machine Säule, 2013 (fortlaufend)
[Thermodrucker, Knopf, Papier, MDF, Plexiglas, Aluminium, 210×210×250 cm]
Time Machine Säule (“Time Machine Column”), 2013 (ongoing)
Thermal printer, button, paper, MDF, Plexiglas, aluminum, 82×82× 98inches]
Zeppelin W-ADZ 21, 2021
[Triax Silver Folie, Roboter, Kameras, online Steuerungsplattform, Größe variabel]
Zeppelin W-ADZ 21, 2021
[Triax silver foil, robot, cameras, online control platform, size variable]

Zeppelin
W-ADZ 21

Agave

Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]
Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]
Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]
Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]
Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]
Agave, 2021
[Aluminiumguss, Aluminiumprofil, 150 x 150 x 360 cm]
Agave, 2021
[aluminum cast, aluminum profile, 59 x 59 x 141 inches]

Schneehaus

Schneehaus, 2021
[C-Print, 59 x 76 cm]
Schneehaus (“Snow House”), 2021
[C-Print, 23 x 30 inches]
Ausstellungsansicht Wette auf die Zukunft
Kunsthalle Wilhelmshaven, 2021
Installation view Wette auf die Zukunft
(“Bet on the future”) Kunsthalle Wilhelmshaven, 2021

Grußwort

Im Mittelpunkt der Online-Publikation Wette auf die Zukunft stehen Objekte, Installationen, Videoarbeiten und Fotografien von Malte Bartsch aus den Jahren 2013 bis 2021, die der Künstler vom 22. Mai bis 4. Juli 2021 in den großzügigen Räumen der Kunsthalle Wilhelmshaven präsentiert hat. Ausstellung und Online-Publikation wurden im Rahmen des New York-Stipendiums 2020 des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung realisiert, mit dem Malte Bartsch für seine herausragende künstlerische Arbeit ausgezeichnet wurde.

Der Künstler wurde 1984 in Braunschweig geboren und hat im Anschluss an ein Studium der Humangeographie und Ökonomie an der Universität Utrecht Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und an der Universität der Künste Berlin studiert, wo er sein Studium 2015 als Meisterschüler von Manfred Pernice abschloss.

Sowohl die Ausstellung als auch die gleichnamige Online-Publikation Wette auf die Zukunft ermöglichen einen Einblick in zentrale Themen, mit denen Malte Bartsch sich seit mehreren Jahren beschäftigt: Angefangen bei den Auswirkungen von technologischen Entwicklungen und der ambivalenten Beziehung zwischen Mensch und Maschine, bis hin zu unserer veränderten Wahrnehmung von Zeit, die nach Aussage des Soziologen Hartmut Rosa auf einer „technisch beziehungsweise ökonomisch induzierten Beschleunigung“ basiert.

Darüber hinaus gibt die Online-Publikation auch einen Einblick in die künstlerischen Strategien, mit denen Malte Bartsch sich diesen Fragestellungen nähert. Sie zeigt zum Beispiel seinen Ansatz, Alltagsobjekten neue Funktionen zuzuschreiben wie in der Arbeit Holzautomat (2021), für die Bartsch einen ausrangierten Snackautomaten aus der Ramstein Air Base mit Holzscheiten für ein Lagerfeuer bestückt hat. Neben Skulpturen, mit denen Bartsch die Besucherinnen und Besucher seiner Ausstellungen zu performativen Handlungen anregt, entstanden in den vergangenen Jahren auch Filme und Fotografien, die Versuchsreihen und Performances des Künstlers dokumentieren. So etwa das Video Rakete (2019), für das Malte Bartsch nachts auf einem Feld mehrere Feuerwerkskörper angezündet hat, die er vor dem Abschuss an einem 100 m langen Gummiband befestigte, oder die Fotografie Schneehaus (2021), in der er das Abbrennen eines Lagerfeuers in einem Iglu festgehalten hat. Ein weiterer, nicht weniger spektakulärer Teil seines Werkes basiert auf der Konstruktion von Maschinen, die – ähnlich wie der bereits erwähnte Holzautomat – zur Nutzung bereitgestellt werden wie etwa das groß angelegte partizipative Projekt Time Machine (seit 2013) oder der erstmals in der Kunsthalle Wilhelmshaven präsentierte Zeppelin W-ADZ 21 (2021), mit dem Interessierte sich im Internet rund um die Uhr die Ausstellung anschauen konnten.

In ihrer Gesamtheit stellt die Online-Publikation Wette auf die Zukunft Malte Bartsch als Vertreter einer künstlerischen Praxis vor, die einerseits aktuelle gesellschaftliche Fragen reflektiert und andererseits durch Elemente des Performativen und Partizipativen spielerisch und humorvoll skulpturale Konzepte erweitert und die in der traditionellen Plastik klar definierten Grenzen zwischen Werk und Betrachter immer wieder aufs Neue lustvoll verschiebt.

Das New York-Stipendium des Landes Niedersachsen und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung wurde von 2000 bis 2020 an vielversprechende junge Künstlerinnen und Künstler aus Niedersachsen vergeben. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten haben neben einem Barstipendium die Möglichkeit erhalten, zwölf Monate in New York zu leben und zu arbeiten. In Folge der seit dem weltweiten Ausbruch der Corona-Pandemie bestehenden Beschränkungen konnte Malte Bartsch sein Stipendium zu unserem großen Bedauern im Jahr 2020 nur in sehr begrenztem Umfang wahrnehmen. Wir freuen uns, dass der Künstler dennoch die Möglichkeit genutzt hat, sich im Rahmen des Stipendiums ein Jahr lang auf seine künstlerische Arbeit zu konzentrieren und die in dieser Zeit entwickelten Werke in der vorliegenden Online-Publikation erstmals präsentiert.

Zukünftig vergeben das Land Niederachsen und die Niedersächsische Sparkassenstiftung das Reisestipendium „Niedersachsen in Europa“. Es ist an den neu konzipierten Sprengel-Preis gebunden und ermöglicht niedersächsischen Künstlerinnen und Künstlern bis zu sechs Monate in einem europäischen Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten. Im Anschluss werden ihre künstlerischen Werke und der Auslandsaufenthalt in einer Einzelausstellung im Sprengel Museum Hannover und in einem begleitenden Katalog präsentiert. Zudem wird das Reisestipendium „Europa in Niedersachsen“ vergeben, das europäischen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit bietet, bis zu einem halben Jahr in Niedersachsen zu arbeiten und ihre Werke abschließend in einem niedersächsischen Kunstverein und einem Katalog vorzustellen.

Für ihre Unterstützung des letzten New York-Stipendiaten danken wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des International Studio und Curatorial Program (ISCP) in New York, insbesondere Frau Susan Hapgood, der Direktorin des Atelierhauses. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Realisierung der Ausstellung danken wir Frau Petra Stegmann, der Direktorin der Kunsthalle Wilhelmshaven. Bei Frau Veronika Olbrich, Herrn Ulrich Beran und Herrn Luis Hemme vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur und Frau Ulrike Schneider von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung bedanken wir uns für die Betreuung des Stipendiums und der Online-Publikation.

Unser besonderer Dank gilt den engagierten Mitgliedern der Jury des New York-Stipendiums 2020, Prof. Dr. Annette Tietenberg (HBK Braunschweig), Prof. Dr. Stephan Berg (Kunstmuseum Bonn), Gerrit Gohlke (Brandenburgischer Kunstverein Potsdam) und René Zechlin (Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen am Rhein).

Abschließend danken wir Malte Bartsch für die beeindruckende Präsentation seiner Arbeiten in der Kunsthalle Wilhelmshaven und wünschen ihm für seine weitere künstlerische Arbeit alles Gute.

Björn Thümler
Niedersächsischer Minister für
Wissenschaft und Kultur

Thomas Mang
Präsident der Niedersächsischen
Sparkassenstiftung

Words of Greeting

The focus of the online-publication Wette auf die Zukunft („Bet on the Future“) is on objects, installations, video works and photographs by Malte Bartsch from the years 2013 to 2021 which the artist presented in the extensive spaces of the Kunsthalle Wilmelmshaven from May 22 to July 4, 2021. The exhibition and online-publication were realized in the framework of the New York Stipend 2020, which was awarded by the Ministry for Science and Culture in the State of Lower Saxony together with the Niedersächsische Sparkassenstiftung to Malte Bartsch in acknowledgement of his outstanding artistic work.

The artist was born in Braunschweig in 1984; after studying human geography and economy at Utrecht University, he studied free art at the Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig and at the Universität der Künste in Berlin, where he completed his studies in 2016 as a master student of Manfred Pernice.

Both the exhibition and the same-named online-publication Bet on the Future convey insights into fundamental themes to which Malte Bartsch has been turning his attention for several years: beginning with the impacts of technological developments and the ambivalent relationship between human beings and machines, all the way to our altered perception of time which, according to a statement by the sociologist Hartmut Rosa, is based on a “technically or economically induced acceleration.”

Furthermore, the online-publication also directs its focus towards the artistic strategies with which Malte Bartsch approaches these issues. For example, it presents his perspective of attributing new functions to everyday objects, as in the work Holzautomat (2021), for which Bartsch filled a formaly used vending machine at Ramstein Air Base not with snacks, but with pieces of wood for a campfire. In addition to sculptures with which Bartsch invites the visitors to his exhibitions to engage in performative activities, past years also gave rise to films and photographs that document the artist’s performances and series of experiments. Several examples are the video Rakete (2019), for which Malte Bartsch ignited at night in a field several fireworks that he had previously attached to a 100-meter long elastic band; or the photograph Schneehaus (2021), in which he recorded the blazing and gradual subsiding of a campfire inside an igloo. A further, no less spectacular part of his oeuvre is based on the construction of machines which—in similarity to the aforementioned Holzautomat are made available for use: for example, the large-scale, participatory project Time Machine (since 2013) or Zeppelin W-ADZ 21 (2021), which is being presented for the first time at the Kunsthalle Wilhelmshaven and with which interested persons can view the exhibition around the clock on the internet.

In its totality, the online-publication Bet on the Future presents Malte Bartsch as the representative of an artistic practice which on the one hand reflects upon current social issues and on the other, through performative and participatory elements, playfully and humorously expands sculptural concepts even as it delights in repeatedly shifting the borders between work and viewer that are so clearly defined in traditional sculpture.

The New York Stipend of the State of Lower Saxony and the Niedersächsische Sparkassenstiftung was awarded from 2000 to 2020 to promising young artists from Lower Saxony. In addition to a financial grant, the stipendiaries were given the possibility of living and working for twelve months in New York City. As a consequence of the restrictions in place since the outbreak of the Corona pandemic, Malte Bartsch—to our deep regret—was able to make use of his stipend during the year 2020 only to a quite limited extent. So we are all the more pleased that the artist nevertheless seized the chance, in the framework of the stipend, to concentrate for an entire year on his artistic work and is now presenting for the first time in the present online-publication the works that were developed during that period.

In the future, the State of Lower Saxony and the Niedersächsische Sparkassenstiftung will be awarding the traveling stipend “Lower Saxony in Europe.” It is linked to the newly-conceived Sprengel Prize and enables Lower Saxonian artists to live and work for up to six months in a European country of their choice. Subsequently their artistic works and sojourn abroad will be presented in a solo exhibition at the Sprengel Museum in Hanover as well as in an accompanying catalogue. Moreover, the traveling stipend “Europe in Lower Saxony” will be awarded; it will offer European artists the opportunity to work for up to half a year in Lower Saxony and subsequently to present their works at a Kunstverein in Lower Saxony and in a catalogue.

For their support of the final New York stipendiary, we would like to thank all the colleagues of the International Studio and Curatorial Program (ISCP) in New York, especially Susan Hapgood, the director of the Studio House. Our thanks go to Petra Stegmann, the director of the Kunsthalle Wilhelmshaven, for the trustful collaboration in realizing the exhibition. We would like to thank Veronika Olbrich, Ulrich Beran and Luis Hemme from the Ministry for Science and Culture and Ulrike Schneider from the Niedersächsische Sparkassenstiftung for their supervision of the stipend and the online-publication.

A special expression of gratitude goes to the dedicated members of the jury for the New York Stipend 2020: Prof. Dr. Annette Tietenberg (HBK Braunschweig), Prof. Dr. Stephan Berg (Kunstmuseum Bonn), Gerrit Gohlke (Brandenburgischer Kunstverein Potsdam) and René Zechlin (Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen am Rhein).

In conclusion, our thanks go to Malte Bartsch for the impressive presentation of his works at the Kunsthalle Wilhelmshaven; we wish him all the best for his further artistic work.

Björn Thümler
Lower Saxonian Minister
for Science and Culture

Thomas Mang
President of the
Niedersächsische Sparkassenstiftung

Freiheit aushalten!

Claude Shannon, der Begründer der Informationstheorie und Wegbereiter heutiger Kommunikationstechnologie (ein Shannon ist eine Einheit für das Maß an Information in einer Nachricht), war auch ein begnadeter Bastler. An der Werkbank in seinem Arbeitszimmer hat er Maschinen gebaut, die mit römischen Zahlen rechnen, den „Rubik’s cube” lösen oder jonglieren konnten. Die berühmteste Maschine, die Claude Shannon jemals gebaut hat, ist gleichzeitig die simpelste, die man sich vorstellen kann: die “shannon machine”, auch “ultimate machine” genannt. Sie besteht aus einer Kiste mit einem Hebelschalter. Betätigt man den Schalter und stellt ihn von 0 auf 1, startet ein Mechanismus, eine Klappe geht auf, eine Hand kommt zum Vorschein, stellt den Schalter wieder auf 0 und verschwindet in der Klappe. Eine Maschine, deren einzige Funktion es ist, sich selbst auszuschalten: die ultimative Maschine.

Daran muss ich immer denken, wenn ich aus Malte Bartschs Time Machine ein serielles Kunstwerk ziehe, das durch die unbestechliche Zeitangabe den Charakter eines Unikats erhält. Ein Kunstwerk für die Ewigkeit, wäre es nicht auf Thermopapier gedruckt, das im Verlauf der Zeit durch Lichteinstrahlung verblasst. Eine Maschine, die aussieht wie ein Sicherungskasten, spuckt umsonst und in beliebiger Stückzahl Kunstwerke aus, die aus nichts bestehen als ihrem Wert als Unikat, technisch und unsinnlich wie ein Kassenbon aus dem Supermarkt. „Autsch“, sagte die Benjaminsche Aura des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, als sie mit dem Elektroschocker traktiert wird.

Die meisten von Bartschs Arbeiten funktionieren als “practical jokes”. Das festzustellen heißt nicht, die Ernsthaftigkeit dieses Ansatzes zu schmälern. Im Gegenteil reiht sich Bartsch damit in eine Riege der Besten im Feld der zeitgenössischen bildenden Kunst ein, wie Jörg Heiser in seinem Buch mit dem von Fischli und Weiss entliehenen Titel “Plötzlich diese Übersicht” herausarbeitet. In Deutschland mit seinem Hang zum Idealistischen, Moralischen, Essenzialistischen und Gravitätischen kann man das nicht oft genug betonen: Viele der komplexesten und schillerndsten Positionen unserer Zeit angefangen bei John Baldessari und Fischli und Weiss über Paul McCarthy und Jenny Holzer bis William Kentridge arbeiten mit einem Element des entwaffnenden Humors, des Slapsticks und der überraschenden Zuspitzung. Der gemeinsame Nenner zwischen den Genres Stummfilm, Comedy und Kunst ist die Pointe – der jähe Blitz der Erkenntnis, wenn sich Paradoxien auf einer ungeahnten nächsthöheren Ebene auflösen, wenn überlagernde Quantenzustände von Bedeutung zu einer überraschenden Information über den Zustand der Welt kollabieren – Schrödingers Katze ist entweder tot oder lebendig – und das Denken eine neue Richtung nehmen kann. So lassen sich über die Pointe auch unbequeme und subversive Ideen einschleusen. Deshalb war Humor immer auch das Mittel der Unterdrückten und Marginalisierten: der Punk, der im Punkt, in der Pointe steckt. Oder, wie wir Lateiner sagen: In Cauda Venenum: Am Ende das Gift. Manchmal ist es bei Bartsch trockener Humor – leider (und bezeichnenderweise) gibt es keine deutsche Entsprechung für die angelsächsische Spezialität des “deadpan humour” – wie bei der Silvesterrakete, die nach furiosem Start vom Gummiband in die Niederungen zurückgezwungen wird und knapp über dem Boden trostlos explodiert: ein majestätisch-erbärmlicher Rohrkrepierer. Andere Pointen sind subtiler – “tongue in cheek” würde der Engländer sagen, wieder keine deutsche Entsprechung – wie die Wolkenaufnahmen in Super Slow Motion: die Entschleunigung der Entschleunigung. Diese Pointen-Poetik, ließe sich sagen, oszilliert zwischen Politik und Poesie.

Malte Bartsch hat Volkswirtschaft studiert, das merkt man. Die Themen seiner Arbeiten sind frei von jeder Innerlichkeit oder individuellen Befindlichkeit. Vielmehr zielen sie – bei aller ästhetisch-sinnlichen Qualität, die sie als notwendige Bedingung wie nebenbei erfüllen – auf die großen Diskursthemen der Gegenwart und die Grundlagen des zukünftigen Gesellschaftsvertrags: Klimawandel und Konsumkultur, Algorithmen und Künstliche Intelligenz, Finanzökonomie und Geldpolitik. Die marxistisch-materialistische Gretchenfrage: “Was ist wertschöpfend?” bzw. “Wie entsteht der Mehrwert?” bildet die Rampe, von der Bartsch abhebt und mit Rückwärtssalto mortale im Bullseye des aktuellen Kunstdiskurses landet: “Wo beginnt und wo endet ein Kunstwerk?”, “Wann ist was Kunst?”, “Was hat heute noch Bestand?”

Eher der angelsächsischen Schule des Pragmatismus als der des Deutschen Idealismus und der Romantik entstammend, sind Bartschs Arbeiten weder Rätsel und Geheimnisse, wie sie der eine Teil, die mystisch und schamanisch grundierte westdeutsche Nachkriegskunst, vorgetanzt hat, noch artistisch-minimalistische Kapriolen des Formalismus, wie sie der andere Teil propagierte, der den minimalistischen Nulldurchlauf und Neuanfang im Visier hatte. Es sind gehaltvolle und gut informierte Wetten: “Wette auf die Zukunft” wie es Titel und Webdomain der Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven überdeutlich formulieren. Aber auch darin steckt schon wieder eine Pointe: die omnipräsente Phrase “Wette auf die Zukunft” ist ebenso wie “Investition in die Zukunft” ein Pleonasmus, der den Sprecher als bedeutungshubernden Großsprecher ausweist. Wie jede Investition auf die Zukunft gerichtet ist, so kann es keine Wette geben, die nicht auf die Zukunft ausgerichtet ist. Das Wesen der Wette ist es, ein Szenario gegenüber dem gängigen und mehrheitlich angenommenen zu favorisieren. Wer wettet, wähnt sich qua Insider-Informationsvorsprung oder Intuition schlauer als der Markt, denn es ist ja genau das Wesen des funktionierenden Marktes, dass alle verfügbaren Informationen zu jedem Zeitpunkt eingepreist sind. “Der Preis enthält alle Informationen, die den Marktteilnehmern zum Zeitpunkt X zur Verfügung stehen”, heißt es in einschlägigen VWL-Büchern. Es ist somit eher unwahrscheinlich “den Markt zu schlagen”, auch wenn es naiv-optimistische Investoren immer wieder versuchen. Bartschs Arbeiten der Serie Risk Averse thematisieren genau das: es sind Schütten für virtuelle Produkte – unsichtbares Eis wie aus der Sesamstraße oder NFTs vielleicht – deren digitale Preistags in der Manier der algorithmusgesteuerten dynamischen Preisgestaltung (“Yield Pricing”) wie wild flottieren. Das Paradox des „Feedback-Loops“, das auch hinter „Flash Crashes“ an der Börse steht: “When everything is always connected to everything else, nothing ever gets settled.”

Hinzu kommt nämlich jene Komplikation, die der britische Ökonom John Maynard Keynes im Bild des “Beauty Contest” gefasst hat: die Börse ähnele einem verzerrten Schönheitswettbewerb, bei dem jeder nicht das Mannequin wählt, das ihm oder ihr am besten gefällt, sondern das von dem man annimmt, dass es am ehesten dem Durchschnittsgeschmack entspricht. Die “animal spirits” (Keynes), die die Märkte treiben, folgen eher den Gesetzen des Mobs und der Massenpsychologie als der rationalen Urteilskraft und dem gesunden Menschenverstand. Damit lässt sich nicht nur der “irrationale Überschwang” an den Börsen erklären, sondern auch die Konjunkturen bestimmter „Blue-Chip“-Positionen am Kunstmarkt, die in Auktionen hochgejazzt werden wie weiland Ende des 16. Jahrhunderts Blumenzwiebeln in der “Tulpenmanie”. Malte Bartschs Arbeiten fallen da eher raus. Es sind per se keine Wetten auf den Kunstmarkt, stattdessen oft eher sperrige Objekte, die der Wartung und Pflege bedürfen. Was die Verkäuflichkeit angeht, rangieren sie eher im unteren Quintil der “Bell Curve“. Vielmehr sind Bartschs “Wetten auf die Zukunft” so etwas wie die “Wild Cards” in der Szenariotechnik: ausgesprochen unwahrscheinliche Szenarien, die jedoch bei Eintritt dramatische Effekte haben und dem Lauf der Geschichte eine neue Richtung geben. Der Business-Philosoph und Investment-Stratege Nassim Nicholas Taleb nennt sie “black swans”, schwarze Schwäne, was im Angelsächsischen lange Zeit ein Synonym war für ein Ding der Unmöglichkeit – bis Ende des 18. Jahrhunderts tatsächlich schwarze Schwäne in Australien entdeckt wurden. Es sind Ereignisse, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie a) sehr unwahrscheinlich sind, b) einen massiven Impact auf die Gegenwart haben, c) hinterher alle haben kommen sehen, nur eben im Vorfeld nicht.
Auch schon vor der Corona-Pandemie hatte es den Anschein, als häuften sich diese schwarzen Schwäne in historisch ungekanntem Ausmaß. Die Hypervernetzung an den Finanzmärkten, die Häufung von Extremwettersituationen aufgrund des Klimawandels und die Anfälligkeit unserer hochgezüchteten Informationsinfrastruktur durch Viren und Hackerangriffe haben einen Strahler auf diese “fat tail”-Risiken gerichtet: die Erkenntnis, dass sich an den unwahrscheinlichen Rändern der Normalverteilungskurve Dinge zusammenbrauen, die mehr Beachtung verdienen sollten. VUCA heißt das zeitdiagnostische Akronym dazu, mit dem man den Flaschengeist zu bannen versucht: “Volatility“, “Uncertainty“, “Complexity“, “Ambiguity“. Wir empfangen schwache Signale aus einer volatiler, unsicherer, komplexer und mehrdeutiger werdenden Zukunft. Und wir wissen nicht, wie wir diese Signale deuten sollen. Darin steckt die Ambiguität. An dieser Stelle kommt die Kunst ins Spiel – insbesondere die von Malte Bartsch –, die uns eines lehren kann: Ambiguitätstoleranz. “Freiheit aushalten!” in schwarzer Prägeschrift auf gelbem Blechschild war ein beliebter Sponti-Geschenkartikel der 1980er. Genau darum geht es.

Die “catchiesten” und “instagrammablesten” Arbeiten von Malte Bartsch verwandeln sich dem an, was in der Szenariotechnik neuerdings als “spekulatives Design” praktiziert wird: “show and tell”-Artefakte aus der nahen Zukunft, wie sie auch in „near-futures science-fiction-Serien“ wie “Black Mirror” auftauchen könnten. Der Verkaufsautomat, der Feuerholz ausspuckt (Holzautomat, 2021), korrespondiert mit dem entkernten Geldautomaten (EC, 2018), dessen Gehäuse nur noch als Bollerofen dient. Sofort sehen wir uns in einem postapokalyptischen „Mad-Max-Szenario“, in dem Papiergeld auf seinen bescheidenen Brennwert reduziert wird und wir zehn Millionen Bitcoins für einen Holzscheit ausgeben.

Wie die Börse ständige Neubewertungen des gegenwärtigen Bestandes an materiellem und immateriellem Vermögen unter Maßgabe plausibler Zukunftsannahmen vornimmt, so ist die Kunstgeschichte eine ständige Neu- und Umbewertung des gewaltigen Korpusses historischen Kunstschaffens und -wollens. Die Gegenwartskunst aber – eingeklemmt im schmalen Spalt zwischen den Mühlsteinen Vergangenheit und Zukunft – kann sich nur selbst befreien, indem sie das Spiel mit der “Umwertung aller Werte” zu ihrem Geschäft macht. Genau das ist es, was Malte Bartschs Maschinenkunst für uns Zeitgenossen “so different, so appealing” (Richard Hamilton) macht.

Holm Friebe

Endure Freedom!

Claude Shannon, the originator of information theory and a pioneer of today’s communication theory (a shannon is a unit for the mass of information in a message) was also a talented tinkerer. At the bench in his workroom, he built machines that could calculate with Roman numerals, solve the Rubik’s cube or perform juggling acts. The most famous machine that Claude Shannon ever built is simultaneously the simplest that can be imagined; it is called the “Shannon machine” or “ultimate machine.” It consists of a box with a switch. If one moves the switch and flips it from 0 to 1, a mechanism starts, a lid opens and a hand appears which returns the switch to 0 and disappears beneath the lid. A machine whose only function is to turn itself off: the ultimate machine.
I am reminded of this whenever I draw out of Malte Bartsch’s Time Machine a serial work of art which, through the incorruptible time indication, takes on the character of a unique object. A piece of art for eternity, were it not printed on thermal paper that fades over time through light irradiation. A machine that resembles a fuse box spits out, for free and in as large a quantity as desired, works of art that consist of nothing other than their value as unique items, just as technical and senseless as a sales slip from the supermarket. “Ouch!” said the Benjaminian aura of the work of art in the age of its technical reproducibility when it has been treated roughly with a taser.

Most of Bartsch’s works function as practical jokes. Recognizing this fact does not mean detracting from the seriousness of this approach. On the contrary—Bartsch thereby takes his place in a club of superlatives in the field of contemporary visual art, as Jörg Heiser elaborates in his book with the title Plötzlich diese Übersicht (“Suddenly This Overview”) borrowed from Fischli and Weiss. In Germany, a country tending towards the idealistic, moralistic, essentialist and solemn, it cannot be emphasized often enough that many of the most complex and dazzling positions of our era—beginning with John Baldessari and Fischli and Weiss past Paul McCarthy and Jenny Holzer all the way to William Kentridge—work with an element of disarming humor, slapstick and surprising intensification. The common denominator among the genres of silent film, comedy and art is the punchline—the sudden flash of recognition when paradoxes are resolved on an unexpected, next-higher level, when overlapping quantum states of significance collapse into a surprising piece of information about the state of the world—Schrödinger’s cat is either dead or alive—and thought can now proceed in a new direction. Thus the punchline makes it possible to smuggle in uncomfortable and subversive ideas. For this reason, humor has always been a means utilized by the oppressed and marginalized: the punk contained within the punctuation point, the point of the joke. Or, as we say in Latin: in cauda venenum (“the poison at the end”). Sometimes Bartsch uses dry humor—unfortunately (and revealingly) there is no corresponding expression in German for the Anglo-Saxon specialty of deadpan humor—as in the case of the New Year’s Eve rocket which, after a stirring skyward start, is compelled back downwards by a rubber band and bleakly explodes right above the ground: a majestic, pitiful nonstarter. Other points are more subtle—“tongue in cheek,” the English would say, again with no German correspondence—such as the film of clouds in super slow motion: the deceleration of deceleration. This punchline poetics, one could say, oscillates between politics and poetry.

Malte Bartsch has studied economics—that is quite noticeable. The themes of his works are free from all inwardness or individual sensibility. Instead—and in spite of the aesthetic-sensual quality that they achieve almost casually as a necessary prerequisite—they aim at the fundamental issues of contemporary discourse and at the foundations of a future social contract: climate change and consumer culture, algorithms and artificial intelligence, financial economics and monetary policy. The Marxist-materialist, million-dollar question “What is value-adding”? or “How does added value arise?” constitutes the ramp from which Bartsch takes off and, with a backward somersault, lands right on the bull’s eye of contemporary artistic discourse: “Where does a work of art begin and end?”, „When is something art?“ and “What has a continued existence today?”

Arising more out of the Anglo-Saxon school of Pragmatism than from German Idealism and Romanticism, Bartsch’s works are neither enigmas and mysteries such as were presented by one part of postwar West-German art with its mystical and shamanistic inclination, nor are they artistic-Minimalist antics typical of Formalism such as were propagated by the other part that had set its sights on the Minimalistic void cycle and new beginning. These are substantial and well-informed bets: “Bets on the Future,” as is formulated with excessive clarity in the title and web domain of the exhibition at the Kunsthalle Wilhelmshaven. But there is a punchline therein as well: The omnipresent phrase “Bet on the Future” is, just like “Investment in the Future,” a pleonasm that certifies the speaker as a pompous windbag. Just as every investment is oriented towards the future, so can there be no bet that does not involve the future. The essence of a bet is to favor one scenario over the prevalent one assumed by the majority to be valid. Whoever makes a bet deems himself, because of the advantage of possessing insider information or intuitive knowledge, to be more clever than the market, because the essence of a functioning market is that all available information has been factored in at every point in time. Pertinent books on economics state that “the price includes all information available to market participants at a point in time X.” Thus it tends to be improbable that someone could “beat the market,” even if naive, optimistic investors repeatedly try to do just that. Bartsch’s works in the series Risk Averse thematize precisely this phenomenon: They are chutes for virtual products—invisible ice cream just as in Sesame Street or perhaps NFTs—whose digital price tags fluctuate wildly in the manner of algorithm-controlled, dynamic yield pricing. The paradox of the feedback loop, which is also behind what are known as “flash crashes” on the stock exchanges: “When everything is always connected to everything else, nothing ever gets settled.”

In addition, there is namely the complication that the British economist John Maynard Keynes summarized in the image of the beauty contest: The stock market resembles a distorted beauty competition in which each person does not choose the contestant that appeals most to him but instead the one who is assumed to correspond most closely to the average taste. The “animal spirits” (Keynes) that drive the market instead follow more the laws of the mob and of mass psychology than rational judgement and common sense. This provides an explanation not only for “irrational exuberance” in the markets but also for the booms of certain “blue-chip” positions in the art market that rise exorbitantly in auctions, just as formerly, near the end of the sixteenth century, was the case with bulbs in the so-called “tulip mania.” Malte Bartsch’s works tend not to fit those paradigms. There are inherently no bets in the art market, but instead they are often bulky objects that require care and maintenance. As for marketability, they are mostly positioned in the lower quintile of the bell curve. It is rather the case that Bartsch’s “Bets on the Future” are something like the wild cards in the scenario technique: extremely improbable scenarios which nonetheless occur with dramatic effect and give a new direction to the course of history. The business philosopher and investment strategist Nassim Nicholas Taleb calls them “black swans,” which in the Anglo-Saxon context was for a long time a synonym for something that is impossible—until, at the end of the eighteenth century, black swans were in fact discovered in Australia. These are events characterized by the facts that they a) are extremely improbable, b) have a massive impact on the present, and c) subsequently are claimed to have been seen by everyone—just not in advance.
Already before the Corona pandemic, it seemed as if these black swans were occurring on a scale previously unknown in history. The hyperinterconnectedness on the financial markets, the accumulation of extreme-weather situations because of climate change, and the vulnerability of our intensively cultivated informational infrastructure to viruses and attacks by hackers have focused a spotlight on these “fat tail” risks: the recognition that, at the improbable edges of the normal distribution curve, things are brewing that should receive more attention. VUCA is the time-diagnostic acronym with which an endeavor is being made to put the genie back in the bottle: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity. We are receiving signals from an increasingly volatile, uncertain, complex and ambiguous future. And we don’t know how we should interpret these signals. Therein lies the ambiguity. It is at this point that art comes into play—especially that of Malte Bartsch—with its capacity for teaching us one thing in particular: namely a tolerance for ambiguity. “Endure Freedom!” written in embossing black lettering on yellow, sheet-metal signs was a popular souvenir of radical protesters in the 1980s. That is precisely the issue at hand.

The most catchy and instagram-enabled works by Malte Bartsch imitate and appropriate what has recently come to be practiced in scenario technique under the name of speculative design: show-and-tell artifacts from the immediate future, such as could appear in near-future science-fiction series such as Black Mirror. The vending machine that emits firewood (Holzautomat, 2021) corresponds to the automated teller machine (EC, 2018) whose insides have been removed and whose casing now serves only as an oven for firecrackers. We immediately find ourselves to be in a post-apocalyptic Mad Max scenario in which paper money has been reduced to its meager calorific value and we spend ten million bitcoins for a piece of wood.

Just as the stock market makes constant reevaluations of the current inventory of material and immaterial assets in accordance with plausible suppositions regarding the future, so is art history a constant reevaluation and revision of the massive body of historical art production and intention. But contemporary art—squeezed into the narrow gap between the millstones of the past and the future—can only liberate itself by turning the play with the “reevaluation of all values” into a commercial activity. It is precisely that which makes Malte Bartsch’s machine art for us contemporaries “so different, so appealing” (Richard Hamilton).

Holm Friebe

Romantik mit anderen Mitteln

Wie werden wir künftig leben und wirtschaften? Welchen Visionen werden wir folgen und was ist der Preis für unsere Zukunftsträume? Der Titel der Ausstellung Wette auf die Zukunft spiegelt Malte Bartschs Faszination für die Absurditäten des Wirtschaftslebens. Zugleich spielt er konkret auf Wilhelmshaven als Ort der Ausstellung an, der seinen Sandstrand einem Containerterminal opferte, mit dem sich große Hoffnungen und eine teuer erkaufte Utopie verbinden. Ob sich die Sehnsucht nach einer besseren wirtschaftlichen Lage in der Zukunft erfüllt? Ein Zurück nach dem Motto „unter dem Pflaster liegt der Strand“ ist jedenfalls nicht geplant.

Begegnet man den Objekten und Installationen von Malte Bartsch springen schnell anspruchsvolle technische Details ins Auge: Roboter, selbst gebaute Maschinen, umgestaltete Geräte mit neuer Funktionalität, flackernde Displays in klein und groß. Aber Bartsch geht es nicht um technologische Spielereien – bei aller Freude, die er augenscheinlich daran hat. Im Fokus seiner Arbeiten steht eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und wirtschaftlichen Kreisläufen (samt irrationalen und spekulativen Elementen). Dabei gelingt ihm eine außergewöhnliche Fusion einer hochtechnologischen Gegenwart mit der Ideenwelt der Romantik.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts leitete die Epoche der Romantik eine Abwendung von der Rationalität und Stringenz der von der Antike geprägten Aufklärung ein und betonte Gefühl, Leidenschaft, Individualität und Seele – ein Begriff, der auch in den Arbeiten von Malte Bartsch leitmotivisch erscheint. Mit ausgefeilter Technik beseelt der Künstler Objekte und Installationen. So die Rakete seiner gleichnamigen Videoarbeit, die zu einer tragisch-komischen Protagonistin wird, der ein Höhenflug verwehrt bleibt. Statt in die Weiten des Himmels aufzusteigen, lenkt ein Gummiband sie zur Erde zurück, wo sich ihr Funkenflug wie ein Sternenregen über den Feldern ergießt. Wir betrachten sie mit Empathie – und erkennen zudem die Schönheit ihres Scheiterns.

Einen romantischen Topos nimmt auch die Installation Agave auf, die als „Jahrhundertpflanze“ in filigranen Aluminiumabgüssen präsent ist. Die zu den Spargelgewächsen gehörende Pflanze speichert über Jahrzehnte Energie, um Blüten hervorzubringen, nur um gleich darauf abzusterben. Damit wird sie zum Sinnbild eines mit Herzblut geschaffenen Meisterwerks, das den Tod seines Schöpfers mit sich bringt. Einen nicht auflösbaren Widerspruch birgt das industrielle Material Aluminium (aus recycelten Autofelgen), das den zarten Blüten zur Totenmaske wird und ihre fragile Schönheit dauerhaft erhält.

Auch geradezu Übernatürlichem scheint man in der Ausstellung zu begegnen: in irrlichternd springenden, wie von Geisterhand gesteuerten Preisangaben der Skulpturen Risk Averse und Risk Lover, die mit ihrer an leere Warenregale erinnernden Gestalt auf eine immer abstraktere Wirtschaftswelt verweisen, durch die das Immateriell-Ungreifbare in Form hochspekulativer Kryptowährungen spukt.

Schon ein Klassiker unter Malte Bartschs Arbeiten ist die Time Machine, deren Name zunächst eine Zeitreise verspricht, die sich letztlich aber als perfekter Alibi-Automat erweist. Sie bezeugt die Anwesenheit an einem Ort – und produziert mit den ausgegebenen Quittungen zugleich ein Kunstwerk nach dem anderen. Aber sie birgt auch ein gemeinschaftliches Element, ist sie doch Teil eines Netzwerks von Zeitmaschinen an über 50 Orten (https://tm.maltebartsch.de), die von Guangzhou über New York bis Wilhelmshaven miteinander verbunden sind und die ephemeren Spuren menschlicher Anwesenheit an verschiedenen Ort materialisieren.

Eine besondere Bedeutung kommt in der Ausstellung dem Element Feuer zu: In der Fotografie Schneehaus zum Beispiel treffen Feuer und Eis aufeinander. Wenn das in einer Eislandschaft wärmende Feuer seine schützende Unterkunft zu schmelzen droht, entsteht ein Energiekreislauf ohne Happy End. Und auch der Holzautomat verspricht Feuer, indem er gegen Einwurf eines Dollars einzelne Holzscheite und Zündhölzer für ein Lagerfeuer-to-go feilbietet und damit implizit zum Verbrennen eines Teils des Kunstwerks einlädt, aber zugleich das gemeinschaftliche Sitzen am archaisch-romantischen Lagerfeuer suggeriert, das Bartsch auch in seinem Vorschlag für eine Feuerstelle aufgreift.

Den Traum vom Fliegen schließlich verwirklicht Bartsch mit einem robotergesteuerten Zeppelin W-ADZ 21, der weltweit zu einem Rundflug durch die Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven einlädt, damit physische Distanzen überwindet und verschiedene Orte verbindet. Der Zeppelin W-ADZ 21 wird zudem zum Mittel eines Dialogs, der auf ungewöhnliche Weise gelingt: Ausstellungsbesucherinnen und Ausstellungsbesucher sehen die Bewegung des Luftschiffs, wissen, dass es von außerhalb gesteuert wird, aber nicht von wem. Die Pilotinnen und Piloten aus der Ferne wiederum können Personen und Vorgänge beobachten und durch Bewegungen auf sich aufmerksam machen oder ruhig verharren. Ein Spiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit erzeugt eine asymmetrische Kommunikation, der bisweilen etwas Unheimliches innewohnt.

Die Kunsthalle Wilhelmshaven dankt dem Künstler Malte Bartsch für die kooperative, Freude bereitende Zusammenarbeit und für eine Ausstellung, die so leicht erscheint wie der Luftzug des durch die Kunsthalle schwebenden Zeppelin W-ADZ 21. Besonders freuen wir uns über die Möglichkeit des virtuellen Ausstellungsbesuchs per Zeppelin W-ADZ 21, der gegen Ende des dritten Corona-Lockdowns einen interessanten Kontrast zur physischen Ausleihe von Kunstwerken setzt, die in der Kunsthalle im April 2020 zu Beginn der Pandemie stattfand.

Ein sehr herzlicher Dank gilt ebenfalls dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur, insbesondere Veronika Olbrich, und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, hier besonders Ulrike Schneider, für die fruchtbare, freundliche und flexible Zusammenarbeit, die zum Entstehen einer ungewöhnlichen Ausstellung im Spannungsfeld von Technik und Mensch, Fortschritt und Romantik geführt hat.

Petra Stegmann

Romanticism with other Means

How will we live and operate economically in the future? What visions will we pursue and what is the price for our dreams of the future? The title of the exhibition Wette auf die Zukunft (“Bet on the Future”) mirrors Malte Bartsch’s fascination with the absurdities inherent to economic life. At the same time, it alludes concretely to Wilhelmshaven as the site of the exhibition, a city that sacrificed its sandy beach for a container terminal, with which are linked great hopes and an expensively acquired utopia. Will in fact the longing for an improved economic situation be fulfilled in the future? In any case, there are no plans for a return according to the motto “beneath the pavement lies the beach.”

When one encounters the objects and installations of Malte Bartsch, sophisticated technical details quickly present themselves to view: roberts, machines built by the artist, equipment altered to perform new functions, flickering displays both small and large. But Bartsch is not concerned with technological gadgetry—in spite of all the pleasure he apparently derives therefrom. The focus of his works is on an investigation of social issues and economic circuits (including irrational and speculative elements). In this endeavor, he achieves an extraordinary fusion of a highly technologized present with the conceptual world of Romanticism.

Towards the end of the eighteenth century, the era of Romanticism initiated a turning away from the rationality and rigor of the Enlightenment, which was rooted in Antiquity; this new age emphasized emotion, passion, individuality and soul—a term that runs as a leitmotif through the oeuvre of Malte Bartsch. The artist animates objects and installations with elaborate technology. For example, there is the Rakete (“Rocket”) of his same-named video work, which becomes a tragicomic protagonist denied any opportunity for soaring flight. Instead of ascending into the beckoning expanses of the sky, it is guided by a rubber band back to earth, where its flying sparks are spread across the fields like a starry downpour. We contemplate the rocket with empathy—and likewise recognize the beauty of its failure.

The installation Agave also takes up a Romantic topos that is present here as a “century plant” done in delicate aluminum casts. This plant, which belongs to the asparagus family, stores energy over decades in order to bring forth blossoms and thereupon immediately to die. It thus becomes the symbol of a masterpiece created with heart and soul and inevitably causing the death of its creator. An irresolvable contradiction is contained in the industrial material aluminum (derived from recycled automotive wheel rims), which turns the delicate blossoms into a death mask and permanently preserves their fragile beauty.

One also has the impression of encountering veritably supernatural elements in the exhibition: namely in price indications—leaping like a will-o`-the-wisp, guided by ghostly hands—of the sculptures Risk Averse and Risk Lover which, with their shapes reminiscent of empty goods shelves, point towards an increasingly abstract commercial world that is haunted by immateriality and impalpability in the form of highly speculative cryptocurrencies.

One of Malte Bartsch’s works that has already become a classic is the Time Machine, whose name initially promises temporal travel but which ultimately proves to be a producer of perfect alibis. It proves a person’s presence at a particular place and, with the receipts it issues, simultaneously produces one work of art after another. But it also includes a communal element inasmuch as it is part of a network of time machines situated at more than fifty places (https://tm.maltebartsch.de) which, from New York to Wilhelmshaven, are connected with each other and materialize the ephemeral traces of human presence at various locations.

The element of fire acquires a special significance in the exhibition: In the photograph Schneehaus, for example, fire and ice encounter each other. When a fire emitting heat in an icy landscape threatens to melt its protective accommodations, it gives rise to an energetic cycle without a happy end. And the Holzautomat (“Wooden Vending Machine”) promises fire when, in return for an inserted dollar, it offers for sale individual pieces of wood and matches for a campfire-to-go and thereby issues an implicit invitation to burn part of a work of art even as it simultaneously evokes the communal gathering around an archaic, romantic campfire, a theme that Bartsch also takes up in his Vorschlag für eine Feuerstelle (“Proposal for a Fireplace”).

Finally, Bartsch realizes the dream of flying with a robot-guided Zeppelin W-ADZ 21 that issues a worldwide invitation to a sightseeing flight through the exhibition at the Kunsthalle Wilhelmshaven, thereby overcoming physical distances and connecting various places. Moreover, the Zeppelin W-ADZ 21 becomes the means for a dialogue achieved in an unusual manner: Visitors to the exhibition see the movement of the dirigible and know that it is being guided externally, but they do not know by whom. For their part, the remote pilots can observe persons and events even as they draw attention to themselves through movements or choose to hover in one place. An interplay between visibility and invisibility gives rise to an asymmetrical communication that is occasionally imbued with an element of uncanniness.

The Kunsthalle Wilhelmshaven would like to thank the artist Malte Bartsch for a cooperative, pleasurable collaboration and for an exhibition that seems as light as the draft of air caused by the Zeppelin W-ADZ 21 on its floating path through the Kunsthalle. We are especially pleased by the possibility of a virtual visit to the exhibition by means of the Zeppelin W-ADZ 21 which, now towards the end of the third Corona lockdown, offers an interesting contrast to the physical lending of works of art that took place in the Kunsthalle during April 2020 at the start of the pandemic.

Our expression of heartfelt gratitude goes likewise to the Ministry for Science and Culture, especially to Veronika Olbrich, as well as to the Niedersächsische Sparkassenstiftung, here in particular to Ulrike Schneider, for the fruitful, friendly and flexible collaboration that led to the creation of an out-of-the-ordinary exhibition in the dynamic field between the poles of technology and humankind, progress and Romanticism.

Petra Stegmann

Von Wertgespenstern und Referenzillusionen

„Wette auf die Zukunft“ – das klingt verheißungsvoll und ein bisschen glamourös. Der Titel, den Malte Bartsch seiner Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven gegeben hat, scheint wie geschaffen für die Kunst zu sein. Denn schließlich werden Künstlern – ja, ausschließlich virilen Exemplaren – seit eh und je prophetische Eigenschaften zugeschrieben. Sei es, weil diese als Avantgardisten mit Darstellungskonventionen und tradierten Lebensformen brechen, denen ohnehin keine lange Dauer mehr beschieden ist; sei es, weil sie als Weltverbesserer überzeugende Alternativen zu einer fehlgeleiteten Gegenwart aufzuzeigen wissen oder durch die Entfesselung der Sinnesfreuden den Zugang zu einem irdischen Paradies versprechen. Malte Bartsch verwehrt sich nicht nur dagegen, diesen in die Jahre gekommenen Künstlermythos zu bedienen. Auch die Zukunft, die er den Besucherinnen und Besuchern seiner Schau in Aussicht stellt, sieht alles andere als rosig aus.

Das geht schon los mit einem Silvesterfeuerwerk, das verstört, weil es keine prachtvollen Blüten an den Nachthimmel zaubert. Im 12-minütigen Video Rakete (2019) misslingt der pyromanische Versuch, mit Hilfe der Magie böse Geister abzuwehren, wieder und wieder. Hoffnungsvoll steigt eine Rakete nach der anderen auf, nur um Sekunden später, kurz vor dem mit Vorfreude erwarteten Höhepunkt, gen Boden zu sinken. Sofern die Raketen überhaupt explodieren, tun sie dies, während sie sich bereits im Sinkflug befinden.

Vom Scheitern großer Hoffnungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Luftschiffe gesetzt wurden, erzählt ein mit Helium gefüllter, zigarrenförmiger Ballon namens Zeppelin W-ADZ 21 (2021), der per Roboter durch den Ausstellungsraum navigiert werden kann. Den Ausstellungsbedingungen in Pandemiezeiten gemäß lässt sich das Flugmodell auch vom heimischen Rechner aus steuern; die an ihm befestigte Kamera liefert körperlose Einblicke in die Situation in der Kunsthalle. Wie Malte Bartsch herausfand, gibt es sogar einen Ortsbezug. Im Jahr 1916, während des Ersten Weltkriegs, schwebte ein Zeppelin, der LZ 32, über Wilhelmshaven. Er übernahm damals die Luftsicherung für den durch Minentreffer beschädigten Schlachtkreuzer Seydlitz. Die Geschichte des Zeppelins liest sich im Nachhinein wie eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen. Notlandungen, Motorenversagen und Abstürze gehörten dazu. Aber auch das kollektive Aufbäumen gegen das Misslingen: Als den Luftschiffen 1908 aus ökonomischen Gründen das Aus drohte, kamen bei einer Spendenaktion mehr als sechs Millionen Mark zusammen, die die Grundlage für die Zeppelin-Stiftung darstellten. Bis heute liefert die Vision vom völkerverbindenden Weltluftschiffverkehr reichlich Stoff für Romane und Filme, aber auch für technische Entwicklungen wie den Cargolifter und das Hybridluftschiff.

Malte Bartschs silbrig glänzender Zeppelin W-ADZ 21 überfliegt in der Kunsthalle Wilhelmshaven ein dystopisches Szenario, bestehend aus zwei von Stativen gehaltenen Blütenstengeln, gefertigt aus Aluminiumguss. Agave (2021) ähnelt nicht etwa der gleichnamigen dekorativen sukkulenten Zimmerpflanze, sondern verweist auf deren Stengel, die in Mittel- und Südamerika bis zu acht Meter hoch werden können. Nach Jahrzehnten blüht eine solche Pflanze, die auch „century plant“ genannt wird, ein einziges Mal – und stirbt dann ab. Die lang herbeigesehnte Glanzleistung ihres Daseins ist also zugleich auch ihr Todesurteil.

Besucherinnen und Besucher, die interaktiv involviert sein möchten, bietet der Künstler an, seine Time Machine in Gang zu setzen. Dazu genügt ein Knopfdruck. Allerdings endet die Zeitreise ziemlich profan, wenn der Automat einen Ausdruck auf Thermopapier ausspuckt, auf dem exakt festgehalten ist, wie viele Sekunden die Mitspielerinnen und Mitspieler jeweils den roten Knopf gedrückt haben. Das per Zertifikat authentifizierte Kunstwerk, das sie in den Händen halten, sieht nicht nur aus wie ein Kassenzettel. Das Material, aus dem es besteht, lässt auch keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieses Kunstwerk trotz aller Beteuerung seines Eigenwerts kaum von langer Dauer sein dürfte.

Dem Spuk der Ökonomie ist Malte Bartsch auch mit den skulpturalen Anordnungen Risk Averse (2021) und Risk Lover (2021) auf der Spur. Während Joseph Beuys einst auf Warenregalen abgepackte Lebensmittel lagerte, um die Wirtschaftswerte (1980) der BRD und der DDR konkret zur Anschauung zu bringen, stellt Malte Bartsch nun leere Metallregale zur Schau. Was von Ferne an Haim Steinbachs Arrangement aus Alltagsobjekten erinnert, erweist sich bei näherem Hinsehen als Verweis auf die Strömungsturbulenzen der globalen Finanzmärkte. Irrlichternde Preisschilder, die sich wie von Zauberhand permanent verändern, huldigen dem wandelbaren Wert immaterieller Güter.

Wem es angesichts solch unkalkulierbarer Preisschwankungen kalt über den Rücken läuft, findet am Holzautomat (2021) sämtliche Utensilien, die man braucht, um ein wärmendes Lagerfeuer zu entzünden: Holzscheite, Streichhölzer und ein Stück Papier, genauer gesagt eine Dollarnote. Anzunehmen ist, dass Marcel Duchamp, der das fortwährende Rotieren des Roue de Bicyclette (1913) in seinem Atelier mit dem Flammenspiel eines Kaminfeuers verglichen hat, an einer solch widersinnigen automatischen Vorrichtung Gefallen gefunden hätte.

Verbindendes Element der Arbeiten von Malte Bartsch ist die Paradoxie. Zum einen wirken sie perfekt hergestellt, ideal platziert und kühl inszeniert; zum anderen wohnt ihnen die Erfahrung des Scheiterns, die Absurdität der Fortschrittsideologie und die Vergeblichkeit allen Tuns inne – und doch sind sie völlig frei von Ironie, gar von Zynismus. Ebenso überraschend ist, dass sie sich einer tradierten Symbolik und Metaphorik verweigern, aber dennoch Narrationen entwerfen. An der Schnittstelle von Geschichte, finanzökonomischen Geschäftspraktiken und Kunst entfesseln sie eine ungeahnte Dynamik. Sie erzählen von kollektiven Imaginationskräften, von Spekulationen auf eine bessere Zukunft, die wiederum die Kraft haben, politische, ethische und ästhetische Bewegungen tatsächlich hervorzubringen. Und sie lassen erahnen, was Kunst und Ökonomie verbindet: der „Windhandel“, der Handel mit „Futures“, „ein Vertrag also, der die Vertragspartner auf den Ertrag oder das Ertragen einer kontingenten Zukunft verpflichtet“1. So gesehen sind Künstler heute wohl weniger Propheten als vielmehr furchtlose Kapitalismus-Bändiger, die mit Wertgespenstern und Referenzillusionen zu jonglieren wissen, die erahnen, wo es Spielräume geben könnte für eine mögliche Zukunft. Und gerade das ist bitter nötig. Denn selbst Computerwissenschaftler haben inzwischen den Glauben an sie verloren. So bekennt Jaron Lanier: „Ich vermisse die Zukunft. Heutzutage stellen wir so niedrige Erwartungen an sie.”2

Annette Tietenberg

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1 Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals. Zürich 2010, S. 91.
2 Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft? Hamburg 2014, S. 456.

On Value-Ghosts and Reference-Illusions

“Bet on the Future”—the phrase sounds promising and somewhat glamorous. The title that Malte Bartsch has given his exhibition at the Kunsthalle Wilhelmshaven seems to be tailor-made for art. Because the fact is that from time immemorial artists—exclusively the male specimens thereof—have been considered to possess prophetic qualities. This is the case when avant-gardists break with representational conventions and traditional lifestyles that in any case will not enjoy a long duration, or when such artists seek to improve the world and are able to offer convincing alternatives to a misdirected present or, through the unleashing of sensual pleasures, promise access to an earthly paradise. Not only does Malte Bartsch refrain from perpetuating this myth of the artist that has now reached a ripe old age; the future that he presents to the visitors to his exhibition also looks anything but rosy.

Things already get underway with a New Year’s Eve fireworks display that has a perturbing impact because it does not cause any splendid blossoms to magically appear in the nighttime sky. In the twelve-minute video Rakete (“Rocket,” 2019), failure is the repeated outcome of the pyromanic endeavor to ward off evil spirits with the help of magic. One rocket after another rises hopefully but then, a few seconds later, shortly before the joyfully anticipated, colorful culmination, sinks dismally to the ground. If the rockets explode at all, they do so while they are already on a downward trajectory.

The failure of the grand hopes placed in dirigibles at the beginning of the twentieth century is narrated by a cigar-shaped, helium-filled balloon named Zeppelin W-ADZ 21 (2021), which can be navigated through the exhibition space via a robot. In conformance with exhibition parameters in pandemic eras, the flying model can also be guided by a home computer; the camera attached to it provides bodiless views of the situation in the Kunsthalle. As Malte Bartsch discovered, there is also a local reference. In the year 1916, during the First World War, a Zeppelin, the LZ 32, hovered over Wilhelmshaven. At that time, it took over the air defenses for the battlecruiser Seydlitz, which had been damaged upon colliding with a mine. In retrospect, the history of the zeppelin reads like a succession of washouts, bad luck and breakdowns. Emergency landings, engine failures and crashes are part of the story—as is a collective resistance to the multiple failures. When in 1908 the end of dirigibles seemed imminent, a fundraising campaign took in more than six million marks that served as the basis for the Zeppelin Foundation. Right down to today, the vision of worldwide, nation-uniting aviation continues to provide ample material for novels and films, but also for technological developments such as the Cargolifter and the hybrid airship.

In the Kunsthalle Wilhelmshaven, Malte Bartsch’s shiny, silvery Zeppelin W-ADZ 21 flies over a gloomy scenario consisting of two flower starks made of cast aluminum and supported by tripods. Agave (2021) does not resemble the same-named, decorative, succulent houseplant but instead refers to its starks which, in Central and South America, can grow as high as eight meters. After decades this sort of plant, also known as the century plant, blooms one single time—and then dies. The crowning achievement of its existence, long yearned for, is simultaneously also its death sentence.

The artist offers visitors who wish to be involved in interaction the opportunity to set his Time Machine in motion. All that is needed is to press a button. But the journey through time ends in quite a mundane manner when the vending machine emits a sheet of thermal paper upon which is recorded how many seconds the participants pressed the red button. Not only does the piece of art, authenticated by a certificate and delivered into their hands, look like a sales receipt; the material of which it consists also leaves no doubt as to the fact that this work of art, in spite of asserting its intrinsic value, will not long endure.

With the sculptural arrangements Risk Averse (2021) and Risk Lover (2021), Malte Bartsch likewise investigates the phantom of the economy. Whereas Joseph Beuys once stored packaged foodstuffs on goods shelves in order to give concrete expression to the Wirtschaftswerte (“Economic Values,” 1980) of West and East Germany, Malte Bartsch now puts empty metallic shelves on display. Something that from a distance is reminiscent of Haim Steinbach’s arrangements of everyday objects proves upon closer inspection to be a reference to the turbulent ebb and flow of the global financial markets. Will-o’-the-wisp price tags that change perpetually as if by magic celebrate the mutable value of immaterial goods.

Whoever feels a cold shudder because of incalculable price fluctuations finds with Holzautomat (“Wood Vending Machine,” 2021) all utensils that are necessary to start a warmth-providing campfire: firewood, matches and a piece of paper: or more precisely, a dollar bill. One can suppose that Marcel Duchamp, who compared the ongoing rotation of the Roue de Bicyclette (“Bicycle Wheel,” 1913) in his studio to the flickering flames in a fireplace, would have taken pleasure in so preposterous an automatic gadget.

A connecting element in the works of Malte Bartsch is the paradox. On the one hand, they seem perfectly produced, ideally placed and coolly staged; on the other hand, they are suffused with the experience of failure, the absurdity of the ideology of progress, and the futility of all action—yet they are utterly free from irony, even from cynicism. It is likewise surprising that they reject traditional symbolism and metaphor even as they generate narratives. They unleash an unexpected dynamism at the triple intersection between history, the social practices of financial economy, and art. They tell about the collective powers of the imagination, about speculations regarding a better future which, for their part, have the power to actually bring about political, ethical and aesthetic movements. And they provide an indication of what connects art and economics: short sales, futures trading, “in other words, a contract that obligates the signatories to enjoy the gains or endure the losses of a contingent future.”1 From this perspective, artists today appear to be not prophets but instead fearless tamers who are capable of juggling with value-ghosts and reference-illusions, who have an inkling as to where there could be free spaces for a possible future. And there is an extreme need of precisely that. Because in the meantime, computer scientists have lost their belief in such potential spaces. As Jaron Lanier acknowledges: “I miss the future. Today we have such low expectations regarding it.”2

Annette Tietenberg

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1 Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals. Zürich 2010, p. 91.
2 Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft? Hamburg 2014, p. 456.

Impressum

Die Online-Publikation Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft erscheint anlässlich des New York-Stipendiums 2020 der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Landes Niedersachsen im Anschluss an eine Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven und in Verbindung mit einer Präsentation der Ausstellung auf der Webdomain www.wetteaufdiezukunft.de.

The online-publication Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft (“Bet on the Future“) is being presented along with the exhibition at the Kunsthalle Wilhelmshaven on the occasion of the awarding of the New York Stipend 2020 by the Niedersächsische Sparkassenstiftung and the State of Lower Saxony on the web domain www.wetteaufdiezukunft.de.

Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft
Kunsthalle Wilhelmshaven
21. Mai – 4. Juli 2021

Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft (“Bet on the Future“)
Kunsthalle Wilhelmshaven
21 May – 4 July 2021

Niedersächsische Sparkassenstiftung
Schiffgraben 6 - 8, D - 30159 Hannover
Telefon +49 (0) 511 / 36 03 489
sparkassenstiftung@svn.de, www.nsks.de

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Leibnizufer 9, D - 30169 Hannover
Telefon +49 (0) 511 / 120 25 99
pressestelle@mwk.de, www.mwk.niedersachsen.de

New York-Stipendium New York Stipend

Organisation Organization: Veronika Olbrich, Ulrich Beran, Luis Hemme, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur Lower Saxonian Ministry for Science and Culture Ulrike Schneider, Niedersächsische Sparkassenstiftung

Jury 2020: Prof. Dr. Stephan Berg, Gerrit Gohlke, Prof. Dr. Annette Tietenberg, René Zechlin

Partnerinstitution Partner Institution: ISCP, International Studio and Curatorial Program, 1040 Metropolitan Avenue, Brooklyn, New York 11211, USA

Geschäftsführende Direktorin Executive Director: Susan Hapgood

Programm- und Ausstellungsleitung Director of Programs and Exhibitions: Kari Conte

Direktorin für Entwicklungen und Programme Director of Development and Programs: Juliana Cope

Ausstellung Exhibition

Kunsthalle Wilhelmshaven
Adalbertstraße 28, D – 26382 Wilhelmshaven
Telefon +49 (0) 4421 / 41 448
info@kunsthalle-wilhelmshaven.de
www.kunsthalle-wilhelmshaven.de

Direktorin Director: Petra Stegmann



Online-Publikation Online Publication

Herausgeber: Niedersächsische Sparkassenstiftung und Land Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Wilhelmshaven

Editor: Niedersächsische Sparkassenstiftung and the State of Lower Saxony in collaboration with the Kunsthalle Wilhelmshaven

Gestaltung Graphic Design: David Liebermann, Benjamin Maus, Malte Bartsch

Übersetzung ins Englische Translation into English: George Frederick Takis

Fotografien Photos: Edward Greiner

Alle Rechte vorbehalten All rights reserved

Bibliographische Information: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Bibliographic information: Published by the Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available on the Internet at http://dnb.de.

© 2021 Malte Bartsch, Niedersächsische Sparkassenstiftung, Land Niedersachsen, Kunsthalle Wilhelmshaven, Autorinnen und Autoren the authors

Impressum

Die Online-Publikation Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft erscheint anlässlich des New York-Stipendiums 2020 der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Landes Niedersachsen im Anschluss an eine Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven und in Verbindung mit einer Präsentation der Ausstellung auf der Webdomain www.wetteaufdiezukunft.de.

The online-publication Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft (“Bet on the Future“) is being presented along with the exhibition at the Kunsthalle Wilhelmshaven on the occasion of the awarding of the New York Stipend 2020 by the Niedersächsische Sparkassenstiftung and the State of Lower Saxony on the web domain www.wetteaufdiezukunft.de.

Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft
Kunsthalle Wilhelmshaven
21. Mai – 4. Juli 2021

Malte Bartsch – Wette auf die Zukunft (“Bet on the Future“)
Kunsthalle Wilhelmshaven
21 May – 4 July 2021

Niedersächsische Sparkassenstiftung
Schiffgraben 6 - 8, D - 30159 Hannover
Telefon +49 (0) 511 / 36 03 489
sparkassenstiftung@svn.de, www.nsks.de

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Leibnizufer 9, D - 30169 Hannover
Telefon +49 (0) 511 / 120 25 99
pressestelle@mwk.de, www.mwk.niedersachsen.de

New York-Stipendium New York Stipend

Organisation Organization: Veronika Olbrich, Ulrich Beran, Luis Hemme, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur Lower Saxonian Ministry for Science and Culture Ulrike Schneider, Niedersächsische Sparkassenstiftung

Jury 2020: Prof. Dr. Stephan Berg, Gerrit Gohlke, Prof. Dr. Annette Tietenberg, René Zechlin

Partnerinstitution Partner Institution: ISCP, International Studio and Curatorial Program, 1040 Metropolitan Avenue, Brooklyn, New York 11211, USA

Geschäftsführende Direktorin Executive Director: Susan Hapgood

Programm- und Ausstellungsleitung Director of Programs and Exhibitions: Kari Conte

Direktorin für Entwicklungen und Programme Director of Development and Programs: Juliana Cope

Ausstellung Exhibition

Kunsthalle Wilhelmshaven
Adalbertstraße 28, D – 26382 Wilhelmshaven
Telefon +49 (0) 4421 / 41 448
info@kunsthalle-wilhelmshaven.de
www.kunsthalle-wilhelmshaven.de

Direktorin Director: Petra Stegmann



Online-Publikation Online Publication

Herausgeber: Niedersächsische Sparkassenstiftung und Land Niedersachsen in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Wilhelmshaven

Editor: Niedersächsische Sparkassenstiftung and the State of Lower Saxony in collaboration with the Kunsthalle Wilhelmshaven

Gestaltung Graphic Design: David Liebermann, Benjamin Maus, Malte Bartsch

Übersetzung ins Englische Translation into English: George Frederick Takis

Fotografien Photos: Edward Greiner

Alle Rechte vorbehalten All rights reserved

Bibliographische Information: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Bibliographic information: Published by the Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available on the Internet at http://dnb.de.

© 2021 Malte Bartsch, Niedersächsische Sparkassenstiftung, Land Niedersachsen, Kunsthalle Wilhelmshaven, Autorinnen und Autoren the authors